Ein Leuchten aus der Vergangenheit
Kaum vorstellbar, dass die süditalienische Hafenstadt Salerno einst den stolzen Beinamen „Civitas Hippocratica“ – Stadt des Hippokrates – trug. Der griechische Arzt der Antike gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft. Erst cirka 1100 später – im Mittelalter – sollte Salerno zum angesehenen Zentrum der Heilkunst in Europa aufstiegen. Zu verdanken ist das der Gründung der ‚Scuola Medica Salernitana‘. Historiker bezeichnen sie als die erste medizinische Lehr- und Forschungsanstalt Europas. Viel von diesem Glanz ist heute nicht mehr zu spüren. Die Schule und die Stadt verloren ihren massgeblichen Einfluss mit der Etablierung der medizinischen Ausbildung an Universitäten. Berühmte Namen und ihre Schriften erinnern an ihr Wirken an dieser Schule: Constantinus Africanus, Matthäus und Johannes Platearius, Matteo Silvaticus und Trota von Salerno.
Viel übrig geblieben ist nicht von der letztendlich im Jahre 1812 durch den König von Neapel geschlossenen Schule. Bereits im 10. Jahrhundert gründeten Ärzte und Gelehrte in Salerno eine medizinische Hochschule. Ihre Blüte erlebte sie im 11. und 12. Jahrhundert. Sie verschmolz das Heilwissen der Antike, des Islam und der Klosterheilkunde. Ihr Wirken beeinflusste die Heilkunde in Europa und legte Wurzeln für eine universitäre Ausbildung von Ärzten.
Auf den Spuren der Scuola Medica Salernitana
An baulicher Substanz oder Überresten von Schulgebäuden oder Einrichtungen der mittelalterlichen Medizinschule ist heute für die Besucher nichts Sichtbares erhalten geblieben. Die Erinnerung an die Wurzeln der europäischen Heilkunde ist dennoch lebendig. Sie lebt fort vor allem in den überlieferten Schriften, die Abhandlungen über Arzneimittelkunde, Ratschlägen zu gesunder Lebensweise, Chirurgie, Nerven- und Frauenheilkunde enthalten.
Bücher und ein Garten
Nirgendwo sind die Lebendigkeit und Prosperität des Mittelalters, aber auch die damaligen Schwierigkeiten zur Gesunderhaltung, so deutlich erhalten geblieben wie in den Medizinbüchern der Gelehrten von Salerno.
Das ‚Opus pandectarum‘ des Matteo Silvaticus
Vieles von dem damals gesammelten und aufbereiteten Wissen behielt seine Gültigkeit über die Jahrhunderte. Die Beschreibungen natürlicher Heilmittel sind bis heute lehrreich und erhellend. Sie erfahren vermehrt ein zunehmendes Interesse bei Wissenschaftlern und Laien. Zugang zu den damals vor allem in lateinischer Sprache verfassten Schriften liefern die kritischen Übersetzungen der Neuzeit.
Seit seiner Restaurierung zur Jahrtausendwende hat sich der historische ‚Giardino della Minerva‘ zu einer Pilgerstätte für Menschen mit Interesse und Begeisterung für Heilpflanzen entwickelt.
Blick auf den l’orto botanico ‚Giardino della Minerva‘
Zugleich ist es ein Gedenkort, der an die Wurzeln der europäischen Heilkunde und u.a. an das Wirken des Matteo Silvaticus als Lehrmeister der Medizinschule von Salerno erinnern soll. Musealen Charakter verströmen lediglich die Regale und Bilder der Ausstellung in der Villa. Der Garten selbst versprüht noch heute Schönheit und Vitalität auf fünf Terrassen über den Dächern Salernos.
Quellen:
Pangerl, D. C.: Pioniere medizinischer Gelehrsamkeit; Spektrum der Wissenschaft, Spezial Archäologie – Geschichte – Kultur 2/2019.
Goehl, Konrad: Mittelalterliche Gesundheitsregeln aus Salerno, Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV), Baden-Baden, 2009.
Bild: Matthaeus, Silvaticus: Opus pandectarum medicinae: Bayerische Staatsbibliothek, München — 2 M.med. 98; MDZ Münchener Digitalisierungs Zentrum, Digitale Bibliothek