Umwelt- und Lehrgarten im Kloster St. Marienstern
Im Grunde ein Garten
Blühendes im sächsischen Lande
Was genau Helmut Kohl in den frühen Neunzigern tatsächlich meinte, als er über blühende Landschaften in Ostdeutschland schwadronierte, darüber gehen die Meinungen bis heute sehr weit auseinander. Eine dieser blühenden Landschaften, die seinen damals abgegebenen Versprechen standhalten könnte, befindet sich im östlichen Zipfel Sachsens, im Garten des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern. Das Christlich-Soziales Bildungswerk Sachsen e. V. bewirtschaftet innerhalb der Klostermauern einen Umwelt- und Lehrgarten. Er ist Teil eines Ernährungs- und Kräuterzentrums. In der Tat handelt es sich bei dem prosperierenden Stückchen Land mit all dem üppigen Grün um ein Stück Nachwendegeschichte. Es ist eines der zahlreichen ungewöhnlichen Projekte und Initiativen, die nach der Wiedervereinigung ins Leben gerufen wurden und die so an anderer Stelle nicht durchführbar gewesen wären. Bedacht wurden diese meist mit hochtrabenden Namen. Im Grunde ging es um Umverteilung von Arbeit, die es nicht mehr gab, um Broterwerb, der gesichert werden musste. Wer aufmerksam die Oberlausitzer Landschaft betrachtet, kann in ihr wie in einem Geschichtsbuch lesen. In frischen Farben leuchten die Errungenschaften wirtschaftlicher Blütezeiten kontrastierend mit dem grauen Verfall der Zeugnisse aus Zeiten der Nöte, der Umbrüche und des Niedergangs, die diese Region immer wieder heimsuchten. Die wechselhafte Geschichte des Landstrichs zwischen Deutschland und Polen hat sich über die Jahrhunderte in die Landschaft förmlich eingeschrieben und sie in ihrer einmaligen Form geprägt.
An den Ufern des Klosterwassers
Zwar ist er ein Teil der Klostergärten, aber zur Klausur gehört er nicht der grosse Umwelt- und Lehrgarten. Freien Zutritt erhält nur, wer einen entsprechenden Obolus entrichtet. Mit gelöster Eintrittskarte dürfen jedermann und jederfrau auf dem rund 6000 Quadratmeter grossen Areal sich Verlustieren, Spazieren, Staunen, Meditieren oder bei den Zier-, Garten-, Nutzpflanzen und diversen Heil- und Küchenkräutern nach dem Rechten sehen. Die Arbeit und die Verantwortung für den grossen Lehr- und Umweltgarten haben die Nonnen an das Ernährungs- und Kräuterzentrum abgegeben, sozusagen outgesourct. Entstanden ist ein Schaugarten, der an einen überdimensionierten Schulgarten erinnert. Alles Lehrreiche und Nützliche findet sich in ordentlichen gerade gezogenen Beeten und Rabatten. Wissenswertes wurde didaktisch wohl geordnet und gegliedert. Wie in alten Schultagen darf alles gerne ein wenig üppiger ausfallen, wenn es den Lehrerinnen und Lehrern am Herzen liegt. Die Komposition der Gartenanlage ist eine Melange aus preußischer Akkuratesse und sächsischer Gemütlichkeit. Wem das nicht gemütlich genug ist, der findet lauschige Plätze im angrenzenden Klostercafe und die traditionelle sächsische Eierschecke dazu.
Ein halber Hektar Gartenkunde
Es gibt einen Hortulus medicus mit Heilpflanzen und Kräutern, die jederfrau und jedermann bekannt sein vorkommen dürften. Wer sie sich nicht kennt, kann sich bei den im Rechteck angeordneten Rabatten auf Entdeckertour begeben. Gartenfreunde, die es mehr mit dem Gemüse halten, werden vieles Bekanntes und vielleicht auch die eine oder andere Anregung in Richtung der schattenspendenden Loggia finden. Weil Gärten eine sinnliche Erfahrung bieten können, wurde auch an eine solche Abteilung gedacht.
Vitalität im klösterlich Bewahrten
Panschwitz-Kuckau heisst heute der Ort, wo vor nahezu 775 Jahren die Zisterzienserinnen sich in klösterlicher Gemeinschaft niederliessen. Auf ihr Wirken als geistig-kulturelles und caritatives Zentrum konnten selbst Herrscher nicht verzichten, die des christlichen Glaubens abgeschworen hatten. Aberwitzigerweise bewirkt gerade die räumliche Abgrenzung der klösterlichen Gemeinschaft etwas Verbindendes für die Menschen der Region und ihre Besucher. Ist es die Fasziniation der Abgeschiedenheit oder die Distanz zum Lauf der Welten? Ein freundlicher Ort inmitten weiter Felder und grünender Hügel der Oberlausitz auf halber Wegstrecke zwischen Bautzen und Kamenz. Božemje ist sorbisch und heisst: Auf Wiedersehen!
Anreise und Internet-Adresse:
https://www.marienstern.de/de/
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