Der Stiftsgarten im Grünen
Sankt Lambrecht ist ein Klosterdorf in der Steiermark. Rings um das berühmte Benediktinerstift siedelt alles, was in irgendeiner Weise mit dem Kloster verbandelt ist oder war. Der Stift und der kleine Ort, oder ganz präzise gesagt: die Marktgemeinde, leben nebeneinander und voneinander. Als ob an den Hängen des Thajagrabens ein Mangel an saftig grünen Wiesen bestünde, wirkt ausgerechnet der riesige ehemalige Stiftsgarten als Bindeglied zwischen dem Ort und dem Kloster. Dabei befindet sich der Garten abgewandt vom Zentrum der Marktgemeinde und abseits vom Zugang des Benediktinerstiftes.
Zwischen Steinen, Hecken und Spiralen
Im Garten des Heilens
Vom nördlichen Zugang aus betrachtet, ähnelt der Sitftsgarten auf den ersten Blick einem Kurpark oder einer Gartenanlage, wie wir sie in allbekannten Badeorten finden. Im Mittelpunkt eines Netzes aus kiesbedeckten Wegen steht ein eindrücklicher achteckiger Pavillon. Er ist das Schmuckstück des Stiftsgartens. Sein weit ausladendes, geschwungenes Kaiserdach wirkt wie eine Haube über dem kleinen zweistöckigen Bau im Zentrum der weitläufigen Anlage. Immerhin könnte die Fläche rund sieben Fussballfeldern Platz bieten. Das Motto ‚Garten des Heilens’ passt ausgezeichnet zu seiner Anmutung als Kurpark. Gemütliche Wege, plätschernde Brunnen, einladende Bänke, ein kleines Café mit Terrasse und schattige Plätze bieten Ruhesuchenden viel Raum zum Entspannen, Luftholen und Innehalten. Die Heilpflanzen und Heilkräuter in den thematischen Beeten sind nur zum Anschauen da, dienen vielleicht in manchen Fällen auch als Anregung. Es wäre kein Klostergarten, wenn die Schöpfer des Gartens bei seiner Rekultivierung nicht auch an seine spirituelle Komponente gedacht hätten. An diesem Punkt allerdings haben die Schöpfer des umgestalteten Stiftsgartens zu hoch gegriffen. Statt das barocke Gestaltungsdiktat des Gartens aufzubrechen, lieferten sie lediglich eine Reproduktion der Grundrisse mit gleichzeitiger Auffüllung mit dem Schlechtesten, was derzeit im Landschaftsbau und in der Gartenarchitektur praktiziert wird. Ihr gestalterischer Ansatz besitzt weder die konzeptionelle Tragweite der Gärten von Salagon, noch die integrative Stärke der Gärten von Nimez. Auf das Vier-Elemente-Prinzip zurückzugreifen ist nicht zeitgemäss. Der Verweis auf die Schöpfungsgeschichte zeigt, dass in diesem Falle einfach nicht bis zum Ende gedacht und gezählt wurde. Wer die Erde als blossen Steinhaufen sieht, dem fällt bei den Stichworten Luft, Feuer und Wasser auch nicht viel mehr ein.
Vom Versuch der Kunst
Alle grossen Projekte basieren auf grossen Ideen. Grosse Ideen benötigen einen grossen Geist. Ein neuer Ausdruck von lebensfeindlicher Kleingeistigkeit zeigt sich gegenwärtig in der Gestaltung von Stein-, Schutt- und Schottergärten vor Eigenheimen in einsamen normierten Vorstädten. Sie sind Zeugnisse einer fortschreitenden gesellschaftlichen Entgeistigung, eigener nihilistischer Schöpferkraft oder eben Unvermögens. Schockierend und frustrierend ist, wenn derartig lebens- und naturfeindlichen Gestaltungsformen und Entwürfen im öffentlichen Raum Umsetzung finden. Das Resultat sind Steinwüsten. Immerhin ein ganzes Viertel der gestalteten Fläche wurde mit einem Meer aus Steinen planiert, die nun eher einem islamischen Friedhof als einer Gartenanlage gleicht. Das steht völlig konträr zur sorgfältigen und formensinnigen Gestaltung des Klosterhofes und des Stiftsareals von Sankt Lambrecht.
Ein offener Garten
Eine dieser Pflanzenspiralen, wie sie zu Hunderten in Europa angelegt werden, weil sie in Mode sind, füllt das dritte Viertel der post-barocken Gartengestaltung. War es Einfallslosigkeit oder nur Etikettenschwindel? Die Heilige Hildegard von Bingen wurde referierend als Gärtnerin bemüht. Hingegen Quellen berichten anderes. Der Bezug auf die Humorallehre, deren Vertreterin unter anderem auch Hilde war, wurde ihr einfach angedichtet. Den Pflänzchen und Kräutern scheint es egal. Sie wachsen recht üppig. Kommen Besucher vorbei, nicken sie mit ihren Blütenköpfen vor sich hin.
All die angestrebten Formen sind lediglich aus der Höhe zu erkennen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, auf wen und welche Rezipienten referieren die Gestaltungsformen des in seinen Grundzügen schönen Gartens? Sind sie für die Betrachter aus den Fenstern des gegenüberliegenden Stiftsgebäudes oder Bewohnern von Luftschlössern gedacht?
Domenico kümmert sich!
Jeder Garten bedeutet Arbeit. Ein grosser Garten bedeutet viel Arbeit. In der Mitte unserer Gesellschaft gibt es Menschen, die immense Schwierigkeiten haben, zurück ins Arbeitsleben zu finden. Domenico ist ein Verein, der eben diesen Menschen hilft. Er gibt Menschen ohne Arbeit eine Aufgabe. Sie kümmern sich und pflegen den Stiftsgarten. Deshalb wird er in einigen Reiseführern bereits als Domenico – Stiftsgarten bezeichnet. Wie es immer so ist, Unkräuter fordern stets ihr vermeintliches Recht und stören die gärtnerische Ordnung. Da stellt sich dann die Frage: wenn die Menschen wieder Arbeit haben, liegt der Garten dann brach? Hoffentlich finden sich immer wieder fleissige helfende Hände!
Anreise und Internet-Adresse:
https://www.stift-stlambrecht.at
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