Der lange Aufstieg zu den Kräutern der Zisterzienser von Stams
Als 1807 in Folge der Napoleonischen Kriege das Kloster Stams aufgehoben wurde, endete gleichzeitig die Geschichte der Klosterapotheke. Übrig geblieben sind die farbig beschrifteten Kästen und Schübe, die heute im Stiftsmuseum betrachtet werden können. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich die Spur der Klostermedizin und der Kräutergärten in Stams. Das Stift erblühte wieder zu neuem Leben und wurde von den Nationalsozialisten erneut niedergerungen. Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt vom Streben um den Erhalt des Klosters als spirituelles, kulturelles und schulisches Zentrum im Herzen Tirols. Irgendwie war da für Kräuter keine Zeit und kein Platz.
Stiftsgärten – Raststätten für Seele und Geist
Beim Betrachten der historischen Gemälde und Zeichungen des Zisterzienserstiftes Stams fällt auf, dass es von jeher mit grossen Gärten ausgestattet war. Nutz- und Obstgärten gehörten dazu wie die repräsentativen Gärten aus den Zeiten des Barocks. Die Orangerie wurde in jüngster Vergangenheit wieder zu neuem Leben erweckt. Auf ihrer Terrasse wird heute an sonnigen Tagen der Lust am Kaffee, Kuchen und Torten gefrönt. Auf die Kinder wartet ein bunter Kletterturm. Unter den Linden der kleinen Allee auf dem Weg zur Klosterverwaltung lässt sich angenehm im Schatten flanieren. Es ist ein schöner Platz zum Innehalten und Verweilen, der klösterliche Ruhe ausstrahlt.
Ganz im Innern, hinter der grossen hölzernen Tür, die sich nur den Mönchen und ihren Besuchern öffnet, innerhalb der Klausur im Bereich des Wohnens und der Stille befindet sich der Kreuzgarten mit dem ruhig plätschernden Joahnnisbrunnen. Dieser Ort war schon immer von der Aussenwelt abgeschottet als Platz der Ruhe, Einkehr und Meditation und den Mönchen vorbehalten.
Der Kreuzgarten mit dem von Jesus und Johannes dem Täufer gekrönten Brunnen in der Mitte.
Der Duft nach frischen Kräutern macht dem Weihrauch Konkurrenz – zu Maria Himmelfahrt
Fast schon bedauernd sagt die ältere Dame zu mir: „Die richtig schönen Kräutersegnungen finden im unteren Inntal statt. Da wissen sie, die schönen Buschen zu binden… “ Dabei legt sie einen prächtigen bunten Strauss mit Kräutern, in den sie zwei grosse Zwiebeln eingebunden hat, auf den mit weissem Leinen bedeckten Tisch. Die beiden Zwiebeln werden in den nächsten grossen Braten mit hineingeschnitten werden. „Das wird richtig gut!“ erklärt sie mit sichtlicher Freude. Den Strauss wird sie nach der Segnung oben in ihrer Kammer aufhängen. Im Falle, dass sie etwas davon braucht, wird sie etwas von dem getrockneten Kraut abbröseln. Sie erinnert sich lebhaft, wie ihre Grossmutter bei Gewitter die Kinder um den Herd zum Singen versammelte. Ein Feuer entfachte sie im Ofen und entnahm die Glut für eine Räucherung. Dazu gab sie Weihrauch und etwas vom gesegneten Kräuterbuschen in ein Pfännchen. Das war eine bewährte Hilfe für die ganze Familie auch schwere Gewitter zu überstehen.
Nach und nach bildet sich ein beachtlicher Hügel würzig duftender Sträusse auf dem Tisch, die später Abt German Erd segnen wird. Einige Frauen und sogar Männer erscheinen in Tracht. Es ist ein hochheiliger Feiertag, das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“. Manch einer weiss gar nicht wohin mit seinem Strauss oder Buschen, wie er hier genannt wird. Es ist wie bei jedem anderen festlichen Gottesdienst auch. Hände werden gereicht, kleine Schwätzchen gehalten – man freut sich am Wiedersehen. In der Stiftskirche kommt die Gemeinschaft des Dorfes zusammen. „Es gibt in Stams zusätzlich eine Pfarrkirche, die auch dem Stift gehört,“ erklärt mir Frater Lukas. „Zu den Messen an den hochheiligen Festtagen, kommen aber die Gläubigen zu uns in die Stiftskirche hinunter, und feiern zusammen mit den Mönchen des Konvents.“ So treffen sich fröhlich im Festgewand die Bewohner und Mönche von Stams.
Nur einmal im Jahr duftet die Stiftskirche nach der Messe nicht nur nach Weihrauch, sondern auch nach frischen Kräutern – an Maria Himmelfahrt.
Die Mühe lohnt sich – der lange Aufstieg zur Stamser Alm
Die Jahreszahl 1738 ist in die verzierte Tür des kleinen Kirchleins „Maria Heimsuchung“ auf 1.873 Metern über Meeresniveau eingeschnitzt. Merkwürdigerweise ist die Bauzeit auf die Jahre 1744 – 1748 beurkundet. Vielleicht wurde das Haus rund um die Tür errichtet. Wer weiss? In aller äusserlichen Schlichtheit bewahren die dicken weissen Mauern der kleinen Kirche ein beachtenswertes Rokokojuwel. Mein Tipp: einfach mal in Moos der Alm hinsetzen und staunen! Es strahlt erst seit einigen Jahren wieder im alten Glanz nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten. Die Almhirten sind begeistert, dass sie wieder ihre Almkirche haben. Während meiner Mittagsjause berichtete mir einer von ihnen ganz stolz: „Gestern durfte ich sogar die Glocke läuten. Es war das erste Mal in meinem Leben! Ich hatte gar keine Ahnung, wie das geht.“
Wanderer kommen selten auf die Stamser Alm, um die Kirche und die rund 120 Kühe zu besuchen. Dabei sind es lediglich 1.200 Höhenmeter durch herrlich frisch duftenden Fichtenwald vorbei an dicken Moosen, würzigen Kräutern und klaren Bächen. Ursprünglich wurden das zweistöckige Steinhaus und die Kirche als Refugium zur Recreation den Stamser Mönchen erbaut. Ein fast schon romantisch abgeschiedener Platz mit Aussicht auf das Inntal, könnte man meinen. Die Wirren der Zeit und die wechselhafte Geschichte des Stamser Stiftes haben auch vor „Maria Heimsuchung“ nicht Halt gemacht. Tatkraft, frische Farbe und viel Fleiss haben das Kleinod vor Kurzem wiedererstehen lassen und ganz nebenbei einen kleinen Kräutergarten auf exterretorialem Stiftsgelände hervorgebracht, in dem Rosmarin, Thymian, Minze und sogar die weisse Taubnessel gedeihen. Vielmehr Kräuter bieten der Wald und die Wiesen ringsum die Stamser Alm.
Das Kirchlein wird nur zur Kirchweihe am Feiertag zu „Maria Heimsuchung“ für die Öffentlichkeit aufgeschlossen.
Anreise und Internet-Adresse:
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