Vitex agnus-castus ist der lateinische Name für den Mönchspfeffer

Leicht hat es sich der ‚Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde‘ diesmal nicht gemacht bei der Auslobung der „Arzneipflanze des Jahres“. Ein wenig überraschend fiel die Wahl auf den Mönchspfeffer (Vitex agnus castus), der landläufig auch Keuschlamm genannt wird.

„Es heißt Keuschlamm, weil es die Begierde nach Lust zurückdrängt und den Mann keusch macht wie ein Lamm.“

Das Circa Instans

Was die männlichen Libido behindert, scheint offenbar für Frauen hilfreich zu sein. Mönchspfeffer-Präparate können bekanntermassen die Beschwerden beim prämenstruellen Syndrom (PMS) lindern. Wenn die Monatsblutung unregelmäßig auftritt oder es zu lästigen Spannungs- und Schwellungsgefühlen in der Brust, Reizzuständen und Schmerzen im Unterbauch kommt, dann sprechen Mediziner vom prämenstruellen Syndrom, kurz: PMS. Schätzungen zufolge kennt wahrscheinlich jede dritte Frau dieses Problem.

Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) ist die Arzneipflanze des Jahres 2022.

Seit dem Altertum ranken sich zahlreiche Legenden um den bis zu drei Meter hohen Strauch. Sie alle stehen im Zusammenhang mit Keuschheit und Reinheit.

Ein Strauch, der Frauen hilft

Bekannt ist, dass die pflanzlichen Inhaltsstoffe der Früchte des Mönchspfeffers eine stabilisierende Wirkung auf den weiblichen Hormonhaushalt haben können. Die pflanzlichen Wirkstoffe hemmen die Freisetzung von Prolaktin – dem milchbildenden Hormon aus der Hirnanhangdrüse. Das Prolaktin scheint verantwortlich zu sein für die Beschwerden beim PMS. Die Mönchspfeffer-Extrakte eignen sich allerdings nicht als Sofort-Hilfe. Mit einem Wirkungseintritt ist erst nach einigen Wochen zu rechnen.

Strittig ist und bleibt, ob die prolaktinsenkenden Effekte von Vitex-agnus-castus-Extrakten auf einem dopaminergen Wirkungsmechanismus oder auf östrogenen Wirkungen beruhen.

Tatsächlich haben Mönchspfefferfrüchte einen Einfluss auf den Hormonhaushalt. Er ist ein anerkanntes pflanzliches Arzneimittel bei Regelbeschwerden.

Pharmazeutisch interessant sind die Früchte des Mönchpfeffer-Strauches. Das sind leicht pfeffrig schmeckende Körner. In der Vergangenheit wurden sie genutzt, um die Libido von Mönchen zu dämpfen. Daraus leitete sich wohl der Name ab.

In der Quadratur des Kreises

An kaum einer anderen Pflanze lassen sich so deutlich die Diskrepanzen zwischen Phytotherapie und Schulmedizin, der pharmakologischen Forschung und tradiertem Wissen, dem aktuellen Wissenstand und der Erfahrungsmedizin nachzeichnen wie am Mönchspfeffer. Auf der einen Seite ist der pharmazeutische Nutzen von Vitex-agnus-castus-Präparaten offenkundig. Andererseits fehlen auf der anderen Seite die evidenzbasierten Nachweise. Dabei ist nach wie vor der tatsächliche Wirkungszusammenhang umstritten, obwohl die in Frage kommenden Wirk- und Inhaltsstoffe längst identifiziert sind.

Mönchspfefferblüten an einem Strauch im Klostergarten Benediktbeuern mit einer Biene als Besucherin.

Inhaltsstoffe sind ätherisches Öl, in Form von Sabinen, 1,8 Cineol und alpha-Pinen. Charakteristisch sind die Iridoidglykoside – vor allem Aucubin und Agnusid – sowie Diterpene, Flavonoide und Gerbstoffe.

Widersprüchen auf der Spur

Mit einem ähnlichen Dilemma sehen sich die Forscher des interdisziplinären ‚Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde‘ konfrontiert. Aus ihrer Sicht passt die das Prolaktin senkende Wirkung von Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) nicht zu der seit der Antike tradieren Wirkung zur Anregung der Milchbildung. Aus Sicht der Forscher fehlt für diese behauptete Wirkung bis heute jeglicher Nachweis durch überzeugende klinische Studien. Sie monieren, dass im europäischen Markt Arzneimittel zur Anregung der Milchbildung auf sogenannter „traditioneller“ Grundlage und aufgrund langjähriger Verwendung angeboten werden, obwohl kritische Fachleute vor dem Gebrauch dieser Mittel warnen. Als allgemein gut verträgliche Alternative bietet sich Mönchspfeffer an. Er könnte zum Abstillen sinnvoll sein – so die Meinung der Kritiker. Der Studienkreis führt dazu aus: „Letztendlich würde nur eine neue, gut geplante klinische Studie die Antwort geben, ob Mönchspfeffer vielleicht doch über eine komplexere Wirkung in einer passenden Dosierung die Milchbildung zu fördern vermag. Auch die historischen Texte sind noch einmal gründlich auf etwaige Übersetzungsfehler und Verwechslungen in der langen Rezeptionsgeschichte zu analysieren.“

Es bleibt spannend in der Welt der Arzneipflanzen. Mit Sicherheit dürfen wir uns im kommenden Jahr auf weitere Impulse der Forschergruppe aus Würzburg freuen!

Mönchspfefferfrüchte (Vitex agnus-castus fructus) sehen aus wie Pfefferkörner und schmecken leicht pfeffrig.

Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde

Der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde kürt seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres. Vorrangiges Ziel ist es, an die lange und gut dokumentierte Geschichte von Pflanzen in der europäischen Medizin zu erinnern. Aus dieser Geschichte können wichtige Hinweise für eine pharmazeutische und medizinische Nutzung altbekannter Heilpflanzen extrahiert werden.

Gegründet wurde der Studienkreis 1999 an der Universität Würzburg unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Franz-Christian Czygan († 2012) und Dr. Johannes Gottfried Mayer († 2019). Heute gehören der Jury Mediziner, Pharmazeuten, Biologen und Historiker verschiedener Hochschulen und Institutionen an.

Quellen:

Pressemitteilung: Mönchspfeffer ist Arzneipflanze des Jahres 2022; Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde, Würzburg, 9.12.2021

Hänsel, R. / Sticher, O.: Pharmakognosie Phytopharmazie; 9. Auflage, Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2010

Goehl, K.: Das Circa Instans; Deutscher Wissenschaftsverlag, Baden-Baden, 2015

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