Wenn es einfach nicht läuft …

Eiskalt rinnt das Wasser aus der eisernen Röhre ins ovale Granitbecken des Brunnens.

Dann liegt es bei Männern über 50 häufig an der Prostata. Im Laufe des Lebensalters vergrössert sich das nussgrosse Organ, drückt auf die Harnröhre und verursacht Blasenentleerungs- und Blasenspeicherstörungen. Die altersbedingte Vergrösserung der Prostata ist in den meisten Fällen gutartig. Die Diagnose des Urologen lautet dann zumeist benignes Prostatasyndrom. Darunter fallen alle Beschwerden, die Männer beim Wasserlassen behindern. Das können die häufigen nächtlichen Toilettengänge, ein vermehrter Harndrang oder erschwertes Wasserlassen sein. Das bedeutet in den meisten Fällen eine nachhaltige Störung der Lebensqualität.

Behandlung der gutartigen Prostatahyperplasie mit natürlichen Arzneimitteln

In den meisten Fällen entscheiden sich Ärzte für das „watchful waiting“. Sie behalten den natürlichen Verlauf der Veränderung der Prostata im Auge und warten ab. Abhängig vom Leidensdruck des Patienten und der Entwicklung der potenziellen Störungen schlägt der Arzt dem Patienten Änderungen von Verhaltensweisen oder therapeutische Massnahmen vor.

Keine wirksame Therapie ohne den Arzt

Je nach Schweregrad der Erkrankung – das kann nur ein Arzt beurteilen – gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Es gibt pflanzliche Heilmittel, Medikamente und chirurgische Eingriffe. In leichten bis mittelschweren Fällen kann eine gutartige Prostatavergrösserung (benigne Prostatahyperplasie) mit pflanzlichen Mitteln behandelt werden. Eine Vielzahl pflanzlicher Präparate sind bei dieser Indikation für Patienten leicht erhältlich. In schwereren Fällen können Medikamente verschrieben werden, was in der Hand des Arztes liegt.

Alte Bekannte und ein paar Überraschungen

Ein internationales Wissenschaftlerteam sichtete die vorhandenen Studien, welche zum Thema ‚Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie (BPH)‘ mit pflanzlichen Arzneimitteln verfügbar sind und verglich sie miteinander. Die Ergebnisse dieser Metastudie wurden im Wissenschaftsjournal ‚Molecules‘ veröffentlicht.

Kürbiskerne gelten in der Verwendung als äußerst sicher, aber ihre Verwendung kann zu leichten Magenverstimmungen führen und für Verdauungsstörungen, Durchfall und Elektrolytverluste (aufgrund ihrer harntreibenden Eigenschaften) verantwortlich sein. In klinischen Studien wurden Kürbiskernextrakte auf ölhaltiger und ethanolischer Basis untersucht. Nach mehrwöchigen Behandlungen konnten in den Kontrollgruppen eine Linderungen der Beschwerden erzielt werden. Auch das traditionelle Kürbiskernöl zeigte diese Wirkung, wenn auch dies bei gleichzeitigen gerinnungshemmenden Therapien kontraindiziert ist.

Trotz vielversprechender präklinischer Ergebnisse mit Weidenröschen-Arten (Epilobium parviflorum und E. angustifolium) gibt es nur wenige klinische Studien am Menschen im Zusammenhang mit gutartiger Prostatavergrösserung (BPH). Die meisten klinischen Studien wurden mit Kombinationspräparaten durchgeführt, die zusätzliche Komponenten enthalten, deren Anti-BPH-Aktivitäten bereits bekannt sind. Daher halten sich die Autoren in der Bewertung zurück und verweisen auf die entzündungshemmende, antioxidative, antiproliferative, antimikrobielle, analgetische und antiandrogene Aktivitäten der aus Weidenröschen gewonnen Exktrakte, die in präklinischen Studien beobachtet wurden.

Die positiven Auswirkungen von Tomaten (Solanum lycopersicum) und daraus hergestellten Produkten auf die BPH lassen sich hauptsächlich auf die biologisch aktive Carotinoidverbindung Lycopin zurückführen. Lycopin besitzt antioxidative, entzündungshemmende und krebshemmende Eigenschaften. In mehreren klinischen Studien konnte die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln auf Tomaten- oder Lycopinbasis die Symptome von BPH wirksam lindern. Allerdings sind unerwünschte Wirkungen möglich; daher sind weitere Forschungen erforderlich, um sichere und effiziente Dosierungsschemata für Tomaten und daraus hergestellte Produkte bei BPH zu ermitteln.

Bei der Brennnessel (Urtica dioica) geht es diesmal nicht um die Blätter. Die Wirkstoffe, die bei einer BPH helfen können, sitzen in den Wurzeln. Es gilt als erwiesen, dass die Polysaccharide und Lektine der Brennnesselwurzel den Zellstoffwechsel der Prostata und ihr Wachstum verhindern können. In klinischen Studien mit Extrakten aus der Brennnesselwurzel konnte festgestellt werden, dass nach der Behandlung mit Brennnesselextrakt ein Anstieg der mittleren und maximalen Harnflussrate sowie eine Verringerung der Restharnmenge beobachtet wurde, was für eine Eignung zur Behandlung von Benigner Prostata-Hyperplasie spricht. Die Autoren sprechen sich bei Brennnesselwurzel-Extrakten für einen Behandlungszeitraum von 6-12 Monate aus, da aus ihrer Sicht die Anwendung über einen langen Zeitraum ohne schwerwiegende unerwünschte Wirkungen möglich sei.

Exoten mit Potenzial

Ein Extrakt aus französischer Seekieferrinde (Pinus pinaster) zeigte in präklinischen Studien antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen. Der untersuchte Rindenextrakt (Pycnogenol®) schützt vor oxidativem Stress, indem die intrazelluläre Synthese von antioxidativen Enzymen gesteigert wird und zusätzlich über die Regeneration und den Schutz der Vitamine C und E als starker Radikalfänger wirkt. Wahrscheinlich sind die Procyanidine, Biopolymere aus Catechin- und Epicatechin-Untereinheiten, für die pharmakologische Wirkung verantwortlich. In klinischen Studien konnten statistisch signifikante Verbesserungen der Sympotmatik erreicht werden. Somit könnte das Extrakt aus Pinus pinaster eine wichtige Option für das Selbstmanagement der BPH bei ansonsten gesunden Männern sein.

Möglicherweise liefern die ölhaltigen Früchte der Kubanischen Königspalme (Roystonea regia) einen Stoff zur Behandlung der BPH. Gegenstand der Untersuchungen ist ein ein Lipidextrakt aus Roystonea-Früchten, der Öl-, Laurin-, Palmitin- und Myristinsäure enthält. Die Studien konzentrierten sich vorrangig auf die Sicherheit und Verträglichkeit des Extraktes.

Der arzneiliche wirksame Teil des Afrikanischen Pflaumenbaumes (Prunus Africana) ist seine dunkelbraune Rinde. Aus der getrockneten Rinde werden mittels organischer Lösungsmittel oder anderen Extraktionsverfahren die Wirkstoffe gewonnen. Die Aktivität des Rindenextrakts bei benigner Prostatahypertrophie und der damit verbundenen deutlichen Verbesserung der urologischen Symptome wurde in zahlreichen Studien beschrieben. Jedoch monierten die Autoren, dass weitere klinische Studien, z. B. mit standardisierten Extrakten und validierten Methoden, erforderlich sind, um zuverlässige Aussagen zu Wirksamkeit und Sicherheit treffen zu können. Aus heutiger Sicht sind die Daten über die etablierte medizinische und pharmazeutische Verwendung der Rinde des Afrikanischen Pflaumenbaums unzureichend.

Verwunderung dürften die Ergebnisse der Studie zur Sägepalme (Serenoa repens) auslösen. Sägepalmenfrüchte sind ein anerkanntes traditionelles Arzneimittel zur Behandlung von Symptomen bei Benigner Prostatahyperplasie. Zur Gewinnung von Arzneimitteln werden Sägepalmenfrüchte mit Hexan oder Ethanol extrahiert. Brisant sind die Aussagen der Autoren in der zitierten Studie. Demnach lassen die Auswertungen neuerer klinischer Studien oder einer Meta-Analyse aller veröffentlichten Studien keine eindeutigen Schlüsse auf die Wirksamkeit von Serenoa repens-Arzneimitteln zu. Interessanterweise wird die Zuverlässigkeit von Serenoa repens in Kombinationspräparaten nicht diskutiert. Gespannt dürfen wir auf die Reaktion der Produzenten von Serenoa repens-Arzneimitteln, der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA/HMPC und der Gesellschaft für Phytotherapie e.V. ESCOP sein.

In klinischen Studien mit Roggen-Pollen (Secale cereale) berichteten Patienten über eine leichte bis mäßige Verbesserung der Beschwerden bei einer BPH. Die meisten verfügbaren Daten beziehen sich jedoch nicht auf reinen Pollenextrakt. In allen Fällen handelte es sich um Mischungen aus verschiedenen Pollenarten, wobei Roggenpollen nur ein Bestandteil des jeweiligen Nahrungsergänzungsmittels waren. Um die Wirksamkeit von Roggenpollen bei der Behandlung von BPH vollständig zu klären, sind weitere Studien mit einer definierten Dosierung von Roggen-Pollenextrakt in einer Langzeitbehandlung und mit geeigneten Kontrollen erforderlich, so die Einschätzung der Wissenschaftler.

Weniger Nebenwirkungen, mehr Lebensqualität

Die Autoren vermerkten, dass gut verträgliche Phytotherapeutika im Gegensatz zu den innerhalb der Studie untersuchten Medikamenten bei den meisten Patienten weniger Nebenwirkungen und Wechselwirkungen verursachten. Einen weiteren Vorteil bei der Verwendung natürlicher Arzneimittel gegenüber den synthetischen sehen sie darin, dass diese leichter miteinander kombinierbar seien (z. B. Sägepalmenfrüchte mit Kürbiskernöl) und damit gleichzeitig auf mehrere Ziele einwirken können. 

Wechselwirkungen bergen Risiken

Andererseits kristallisierte sich in den Studienergebnissen heraus, dass die vorhandenen Informationen über Wechselwirkungen zwischen Kräutern und Medikamenten sowie zwischen Kräutern und Kräutern unzulänglich sind. Hierbei sind zukünftig weitere Anstrengungen notwendig um die Sicherheit bei der Anwendung pflanzlicher Arzneimittel zu verbessern.

Quellen:

Csikós, E.; Horváth, A.; Ács, K.; Papp, N.; Balázs, V.L.; Dolenc, M.S.; Kenda, M.; Kočevar Glavač, N.; Nagy, M.; Protti, M.; Mercolini, L.; Horváth, G.; Farkas, Á.; on behalf of the OEMONOM. Treatment of Benign Prostatic Hyperplasia by Natural Drugs. Molecules 202126, 7141. https://doi.org/10.3390/molecules26237141

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