Was haben Königskerze, Eisenkraut und Spitzwegerich gemeinsam?

Blühende Königskerze im Klostergarten des Franziskanerinnenklosters Oberzell.

Hilft nicht nur bei Husten

In der lateinischen Bezeichnung der Königskerze (Verbascum) findet sich bereits der Verweis auf ihren wichtigsten Inhaltsstoff – das Verbascosid. Die Blüten der Königskerze wirken hervorragend bei erkältungsbedingtem Husten. Ebenso hilfreich sind die Blätter des Spitzwegerichs (Plantaginis lanceolatae folium), um trockenen Hustenreiz zu lindern. Standen bisher die schleimbildenden Stoffe beider Heilpflanzen im Fokus, dann wurde häufig das Wirkungsspektrum des Verbascoids übersehen.

Ein vielfältiger Inhaltsstoff

Verbascosid findet sich als Hauptinhaltsstoff in einer Reihe etablierter Heilpflanzen und ihrer Bestandteile, wie zum Beispiel in den Blüten der Königskerze (Verbasci flos), den Blättern der Zitronenverbene (Verbenae citriodorae folium), der Esche (Fraxini folium), im Eisenkraut (Verbenae herba), den Spitzwegerichblättern (Plantaginis lanceolatae folium), beim Weissen Andorn (Marrubii herba) und Schwarzen Andorn (Ballotae nigrae herba), in der Teufelskrallenwurzel (Harpagophyti radix). Das Verbascosid, in der Literatur auch als Acteosid bezeichnet, ist eine polyphenolische Verbindung und gehört zu den Phenylethanoidglucosiden. Es kommt in über 220 Pflanzenarten vor. Arten mit einem hohem Gehalt an Verbascosid werden seit Generationen in der Volksmedizin aufgrund ihrer entzündungshemmenden und antimikrobiellen Eigenschaften verwendet. In zahlreichen Studien finden sich Belege für deren Wirksamkeit. Folglich werden sie in vielen Fällen als pflanzliche Arzneimittel anerkannt und ihren Indikationen entsprechend eingesetzt.1

Entzündungshemmende Eigenschaften

Neben der Einnahme als Kräuterteezubereitungen bei erkältungsbedingten Symptomen sind äussere Anwendungen bei Wunden und Hautproblemen mit Verbacosid-haltigen Pflanzenteilen bekannt. Die entzündungshemmenden Eigenschaften des Verascoids beruhen unter anderem auf der Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2) und des Nuclear Factor Kappa B (NF-kB).2

Antimikrobielle Wirkung

Immer wieder hervorgehoben und mittlerweile wissenschaftlich bestätigt werden die antibakteriellen Eigenschaften der oben erwähnten Heilpflanzen. Eine wesentlich beachtlichere Wirkung scheint das Verbascoid allerdings gegen Viren zu besitzen. In jüngster Vergangenheit zeigten Untersuchungen von Verbascoid eine bemerkenswerte antivirale Aktivität. Es beeindruckte nicht nur durch seine direkte antivirale Wirkung, sondern auch durch die Modulation der Immunantwort des Wirts. Das würde erklären, weshalb gerade bei Erkältungssymptomen Verbascoid-haltige Pflanzen so hilfreich sind. Mehrere Laborstudien (in-silico, in-vitro) zeigten eine starke hemmende Wirkung von Verbascosid gegen eine Reihe von Viren, darunter Coronaviridae (SARS-CoV-2, HCov-229E), Herpesviridae (Herpes-simplex-Virus 1 und 2 (HSV-1 und HSV-2),3 Aujeszky-Virus-Suid-Herpesvirus 1 (SuHV-1), Flaviviridae (Dengue-Virus), Pneumovoridae (Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)),4 HBV, Influenzaviren und Enteroviren.5 Klinische Studien diesbezüglich fehlen bisher.

Gute Verträglichkeit

Wie bei allen pharmazeutisch wirksamen Inhaltsstoffen lohnt sich auch beim Verbascoid der Blick auf die zu erwarteten Nebenwirkungen. Eine der am meisten befürchteten Nebenwirkungen von Pflanzeninhaltsstoffen ist die Zytotoxizität. Bei einer Schädigung oder Zerstörung lebender Zellen durch Wirk- oder Inhaltsstoffe spricht man von einer Zytotoxizität. In einer bereits 2015 veröffentlichten Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass Verbascosid sowohl bei einmaliger als auch bei chronischer Verabreichung gut verträglich ist.6 Neuere Daten zeigen, dass Verbascosid für normale Zellen eine sichere natürliche Verbindung ist, aber bei Brustkrebszellen einen früheren Zelltod über seine Apoptose-induzierende Eigenschaften auslöst.7 Das sind bisher noch Laborergebnisse, die Forscher und Behandler hoffnungsvoll auf den Wirkstoff Verbascoid blicken lassen.

Quellen:
  1. Marčetić, M.; Bufan, B.; Drobac, M.; Antić Stanković, J.; Arsenović Ranin, N.; Milenković, M.T.; Božić, D.D. Multifaceted Biological Properties of Verbascoside/Acteoside: Antimicrobial, Cytotoxic, Anti-Inflammatory, and Immunomodulatory Effects. Antibiotics 2025, 14, 697. https://doi.org/10.3390/antibiotics14070697 ↩︎
  2. Saha, R., Majie, A., Baidya, R. et al. Verbascoside: comprehensive review of a phenylethanoid macromolecule and its journey from nature to bench. Inflammopharmacol 32, 2729–2751 (2024). https://doi.org/10.1007/s10787-024-01555-3 ↩︎
  3. Martins, F.O.; Esteves, P.F.; Mendes, G.S.; Barbi, N.S.; Menezes, F.S.; Romanos, M.T.V. Verbascoside isolated from Lepechinia speciosa has inhibitory Activity against HSV-1 and HSV-2 in vitro. Nat. Prod. Commun. 2009, 4, 1693–1696. ↩︎
  4. Ling, X.; Zhou, J.; Jin, T.; Xu, W.; Sun, X,; Li, W.; Ding, Y.; Liang, M.; Zhu, C.; Zhao, P.; Hu, C.; Yuan, B.; Xie, T.; Tao, J.; Acteoside attenuates RSV-induced lung injury by suppressing necroptosis and regulating metabolism. Front Pharmacol. 2022 Aug 19;13:870928. doi: 10.3389/fphar.2022.870928. PMID: 36059973; PMCID: PMC9437591. ↩︎
  5. Okasha, Y.M.; Fathy, F.I.; Soliman, F.M.; Fayek, N.M. The untargeted phytochemical profile of Verbascum thapsus L. with potent antiviral, antibacterial and anticancer activities. S. Afr. J. Bot. 2023, 156, 334–341. ↩︎
  6.  Etemad, L.; Zafari, R.; Vahdati-Mashhadian, N.; Moallem, S.; Oskouei, Z.; Hosseinzadeh, H.; (2015). Acute, Sub-Acute and Cell Toxicity of Verbascoside. Research Journal of Medicinal Plant. 9. 354-360. 10.3923/rjmp.2015.354.360.  ↩︎
  7. Daneshforouz, A., Nazemi, S., Gholami, O., Kafami, M., & Amin, B. (2021). The cytotoxicity and apoptotic effects of verbascoside on breast cancer 4T1 cell line. BMC pharmacology & toxicology, 22(1), 72. https://doi.org/10.1186/s40360-021-00540-8 ↩︎

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