Estragol heisst der Übeltäter

Apothekenglas mit Foeniculum vulgare aetheroleum

Europäische Arzneimittel-Agentur entzieht Fenchel-Öl die Zulassung als pflanzliches Arzneimittel

Die Meldung kam nicht überraschend. Es deutete sich seit Jahren an, dass Fenchel-Öl seine Anerkennung als pflanzliches Arzneimittel verlieren würde. In einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme teilte die europäische Arzneimittelbehörde (EMA/HMPC) mit, dass sie die Monografie für Fenchel-Öl (Foeniculum vulgare, aetheroleum) aus dem Jahre 2007 zurückzieht.

Bisher galt das aus den Früchten des Bitteren Fenchels (Foeniculum vulgare) gewonnene Öl als ein zuverlässiges Expektorans bei erkältungsbedingtem Husten. Fenchel-Öl wird mittels Wasserdampfdestillation reifer Früchte gewonnen. Die im ätherischen Öl der Bitterfenchelfrüchte enthaltenen Stoffe sind hauptsächlich Anethol, Fenchon und Estragol. Wobei das Estragol der problematische Inhaltsstoff ist. Er steht im Verdacht krebserzeugend zu sein. Das zumindest zeigen Tierversuche.

Im Gegensatz zu den Trans-Anetholen und dem Fenchon, die für die schleimlösende Wirkung des ätherischen Öls verantwortlich scheinen, geht vom Estragol keine pharmakologische Wirkung aus. Estragol ist lediglich eine aromabildende Komponente des ätherischen Öls mit zellschädigendem Potenzial. Die im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegte Höchstmenge liegt bei 6% Estragol im Fenchelöl. Experten sehen die Risiken beim zu langen (täglichen) Gebrauch und einer zu hohen Dosierung bei den Tages- und Einzeldosierungen. Der Richtwert wurde bei 0,05mg Estragol pro Tag festgelegt, was den Gebrauch von Präparaten mit Fenchel-Öl nicht sicherer macht, zumal wenn die Konzentrationen schwanken.

In Anbetracht der Risiken, mit denen die Einnahme von Bitterfenchel-Öl (Foeniculum vulgare, aetheroleum) behaftet ist, vertritt die EMA/HMPC und andere nationaler Gesundheitsbehörden den Standpunkt, dass es keine Grundlage für eine weitere Zulassung als pflanzliches Arzneimittel gibt, zudem es eine Reihe von Alternativen in Pflanzenheilkunde gibt.

Eine ganz ähnliche Problematik wird bei den Kräuter-Tee-Zubereitungen aus Fenchelfrüchten diskutiert. Auch hier ist das Estragol im Spiel. Die Konzentrationen sind im Allgemeinen nicht so hoch, aber schwer einzuschätzen. Aus diesem Grund, wird Schwangeren, stillenden Müttern und Kindern unter 4 Jahren generell von der Verwendung des beliebten Fenchel-Tees abgeraten. Die Pharmazeutische Zeitung rät ihren Apotheker-Kolleginnen zur Zurückhaltung bei Kindern sogar bis zum elften Lebensjahr.


Quellen:

https://www.ema.europa.eu/en/documents/public-statement/final-public-statement-foeniculum-vulgare-miller-subsp-vulgare-var-vulgare-aetheroleum-revision-1_en.pdf; 19.07.2024

https://www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-report/final-assessment-report-foeniculum-vulgare-miller-subsp-vulgare-var-vulgare-aetheroleum-revision-1_en.pdf; 19.07.2024

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/die-top-5-der-magen-darm-phytos-147299; 19.07.2024

https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2002/16/estragol__und_methyleugenolgehalte_in_lebensmitteln_verringern-1066.html, 19.07.2024

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