Pfefferminzöl kann es. Ingwer kann es nicht.

Geringeltes Toilettenpapier als Titelbild für die S3-Leitlinie Reizdarm

Pflanzliche Heilmittel (Phytotherapeutika) bei Reizdarm-Syndrom

Fachärzte mit eindeutiger Meinung

Beinahe unbemerkt im vergangenen Jahr inmitten der turbulenten Zeit der Covid-Pandemie verabschiedeten die Fachgremien der Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) ein Update zur ärztlichen S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom mit eindeutigen Empfehlungen zum Einsatz pflanzlicher Heilmittel.

Beim Reizdarm-Syndrom handelt es sich um eine funktionelle Darmstörung, bei der die Passage der aufgenommen Nahrung durch den Darm gestört ist. Für die Betroffenen äussert sich das in Form von Durchfällen, einer stark veränderten Stuhlfrequenz oder gar mit Verstopfung (Obstipation). Sie berichten über Schmerzen, Krämpfen Unwohlsein und häufigen Blähungen. Dabei handelt es sich nicht um eine vorübergehende Störung der Verdauung oder ein Unwohlsein. Vom Reizdarmsyndrom sprechen Fachärzte, wenn die Beschwerden drei Monate und länger anhalten. Die Ursachen für das Reizdarm-Syndrom können vielfältig sein. In Frage kommen organische, zelluläre, molekularen oder genetischen Veränderungen, die zu Störungen im Informationsaustausch mit dem vegetativen Nervensystem, der sogenannten Darm-Hirn-Achse, führen.

Alte Hausmittel?

Der Leidensdruck für die Betroffenen ist nicht unerheblich. Zumal sich aufgrund der Vielzahl möglicher Ursachen, die Störung nicht einfach abstellen lässt. Verständlicherweise suchen Menschen mit einer Reizdarm-Symptomatik nach Alternativen zu den üblicherweise verordneten Medikationen. Eindeutige Empfehlungen zu pflanzlichen Heilmitteln (Phytotherapeutika) finden sich nun in der Behandlungsleitlinie zu Reizdarmsyndrom. Die Bewertungen für die favorisierten Magen-Darm-Kräuter fallen hierbei sehr unterschiedlich aus. Das ist nicht verwunderlich bei der Komplexität dieses Krankheitsbildes.

Die krampflösenden Eigenschaften der Pfefferminze bei Beschwerden im Bauchraum sind hinlänglich bekannt. Als wirksam bei der Behandlung der Begleitsymptome Schmerz und Blähungen haben sich den Experten zufolge Pfefferminzöl-Präparate erwiesen. Allerdings sollten ausschliesslich Kapseln mit Pfefferminzöl zur Anwendung kommen. Die Einnahme sollte aber mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.

Grossmutters gute alte Kümmelöl-Auflage hat nach wie vor seine Berechtigung. Vielleicht erlebt sie mit der neuen Leitlinie eine Renaissance. Warme Auflagen mit Kümmelöl sind zwar ein wenig aufwendig. Zur Linderung der Symptome und der Verbesserung der Lebensqualität können sie jedoch ein probates Mittel sein.

Eine Frage der Zubereitung

Hinter den Abkürzungen STW-5 und STW-5-II verstecken sich die Marktführer unter den phytotherapeutischen Magen-Darm-Präparaten mit dem Namen Iberogast®. STW-5 enthält die bekannten Heilpflanzen Bittere Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzeln. Das Präparat STW-5-II enthält Anteile aus der Bitteren Schleifenblume, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Melissenblätter, Pfefferminzblättern und Süßholzwurzeln. Linderungen der typischen Beschwerden des Reizdarmsyndroms (insbesondere abdominelle Schmerzen) sollen mit beiden Präparaten erzielbar sein. 

Interessanterweise scheint die alleinige Verwendung einzelner Heilpflanzen nicht zielführend zu sein. So zeigte offenbar die Bittere Schleifenblume (Iberis Amara) in den untersuchten Studien keine positiven Effekte. Ebenso gibt es keine Empfehlung für die Verwendung von Ingwer (Zingiber officinale) und fürs Johanniskraut (Hypericum perforatum). Erstaunlicherweise scheiden auch Erdrauch (Fumaria officinalis), Kurkuma (Curcuma longa) und Aloe vera als mögliche pflanzliche Heilmittel zur Behandlung des Reizdarm-Syndroms aus. Als wirkungslos gegen Blähungen noch Schmerzen wird der Spanische Pfeffer (Capsicum annuum) bewertet.

Nicht jeder Kandidat eignet sich

Es ist erfreulich, dass Empfehlungen für die Integration alternativer Behandlungsmethoden endlich ins Behandlungskonzept des Reizdarmsyndroms gefunden haben. Eindeutig ist das Expertenurteil zur Homöopathie ausgefallen: „Homöopathische Anwendungen und Fußzonenreflexmassage können nicht empfohlen werden.“ Womit einmal mehr die Trennlinie zwischen der wirkstoffbezogenen Pflanzenheilkunde und esoterischen Erkläransätzen klar gezogen wurde.


Quellen:

https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-016l_S3_Definition-Pathophysiologie-Diagnostik-Therapie-Reizdarmsyndroms_2022-02.pdf

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