Feigenblätter mit Frucht vor der Mauer des Stifts Göttweig in Niederösterreich.

Echte Feige (Ficus carica)

Der Autor des ersten deutschen gedruckten Kräuterbuchs ‚Gart der Gesundheit‘ beruft sich bei der Beschreibung des Feigenbaums und seiner Früchte auf den Meister Serapio und sein Buch Aggregatoris. Dieser würde unterschieden zwischen zweierlei Feigen – den wilden und den kultivierten. Er dekliniert weiter, „die heimischen Feigen sind sind auch zweierhand. Etliche sind frisch und feucht und andere sind trocken.“ Und behauptet, dass die Trocknen besser seien als die Frischen.

Zweige des Feigenbaums Ficus carica in der griechsichen Ortschaft Khalambaka.

Es sind die süssen Früchte der Feigen, die wir gerne als natürliche und gesunde Süssigkeit erachten. Für die frischen Früchte mag das gelten. Sie enthalten reichlich Mineralstoffe Kalium, Magnesium, Kalzium, Phosphor, Zink und Vitamine B1 und B2. Beim Zucker wird es allerdings kritisch. Während die frischen Früchte auf einen Fruchtzuckergehalt von cirka 15% kommen, bestehen die getrockneten mindestens zur Hälfte aus Zucker.1 Damit rangieren sie relativ unverdächtig in der Kategorie Kalorienbömbchen.

Feigenbäumen und ihren Früchten werden seit Menschheitsgedenken heilende Kräfte zugesprochen. Anerkannt als Heilpflanze oder pflanzliches Arzneimittel sind sie allerdings nicht. Menschen, die zu Obstipation neigen, schätzen die Fähigkeit der Früchte, anregend auf die Darmperistaltik zu wirken. Es ist die Kombination aus Quellfähigkeit, Pflanzenfasern, Fruchtzucker und Mineralstoffen, die für mehr Bewegung im Darm und weicheren Stuhl sorgen.

Monografien zur Feige (Ficus carica), die deren Heilwirkung bestätigen, wurden weder von der Kommission E des BfAr, EMA/HMPC oder der ESCOP erstellt.

Der Meister Avicenna soll drei Arten von Feigen unterschieden haben, rote, schwarze und zeitige. Wobei er keiner von ihnen heilende Kräfte zuschrieb. Vielmehr äusserte er sich dahingehend, dass sie böses Blut machen und die Läuse wachsen lassen, bei übermässigem Gebrauch. Hildegard von Bingen warnte sogar vor dem Genuss der Früchte, denn sie würden Genusssucht, stolzen Sinn und Habgier fördern.


Was braucht es, Fernliegendes zu erwähnen, wo doch das Wasser in demselben Feigenbaum ganz entgegengesetzte Eigenschaften annimmt? Es ist nämlich äußerst bitter im Safte, sehr süß dagegen in der Frucht.

Basilius von Cäserea


Der milchige Saft aus den Rinden des Feigenbaums war interessant für den griechische Arzt Dioskurides zur Behandlung dermatologischer Erkrankungen: „Eben dieser Saft nützt Aussätzigen und auch bei bösem Grinde, wie der wäre an dem Leibe, damit geschmieret hilft wohl ohne alle Zweifel.“ Noch heute ist die Behandlung von Warzen und anderer schwieriger Hautveränderungen mit der Milch des Feigenbaums üblich. Hildegard von Bingen empfahl die Herstellung einer Universalsalbe aus Rinden und Blättern des Feigenbaums. Lenden- und Brustschmerzen, Augenleiden und selbst Kopfschmerzen sollen sich damit lindern lassen, versprach sie.

Kein Baum und keine Pflanze sind so mit der Menschheitsgeschichte verwoben, wie der Feigenbaum. Seine Blätter waren es, die nach der ersten Sünde und ihren verhängnisvollen Folgen die Nacktheit von Eva und Adam verdeckten. So berichtet es jedenfalls das Alte Testament (Gen. 3,7). Feigenbäume sind in der Lage, bis zu dreimal im Jahr Früchte hervorzubringen. Ihr Laub und ihre Gestalt haben die Fantasie und Kreativität angeregt, wurden vielfach als Metapher verwendet. Begehrlichkeiten weckten sie beim europäischen Adel und den Klöstern nördlich der Alpen. Wer es sich leisten konnte, errichtete ein sogenanntes Feigenhaus zum Überwintern. Denn bereits Hildegard von Bingen mahnte: „Der Feigenbaum ist mehr warm als kalt und muss immer Wärme haben und Kälte taugt ihm nicht, … in Kälte geht er unter.“

Trefflich fasst ein Reim aus den ‚Mittelalterlichen Gesundheitsregeln von Salerno‘ die damals gebräuchlichen Anwendungen zusammen:

Feigenfrüchte verändern ihre Farbe im Prozess der Reife und der Trocknung.


Quellen:
  1.  https://naehrwertdaten.ch/de/search/#/food/330987; gelesen 28.07.2025 ↩︎

 Gart der Gesundheit, Nachdruck der Ausgabe von 1487; hansebooks, 2016.

Goehl, Konrad: Mittelalterliche Gesundheitsregeln aus Salerno, Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV), Baden-Baden, 2009.

Homilien über das Hexaemeron (Des heiligen Kirchenlehrers Basilius des Grossen ausgewählte Schriften Bd. 2; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 47) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1925.

Hildegard von Bingen; Heilsame Schöpfung – Die natürliche Wirkkraft der Dinge ‚Physica‘; übersetzt von Ortrun Riha, Beuroner Kunstverlag; 2012

Ähnliche Beiträge