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Kleine Braunelle – wilde Rasendekoration

Die kleine Braunelle ist ein historisches Heilkraut, das seine Bedeutung im Laufe der Zeit vollkommen eingebüsst hat.

Kleine Braunelle (Prunella vulgaris)

Die kleine Braunelle scheint eines der widersprüchlichsten Kräuter im Bezug auf seine Heilwirkung zu sein. Einige Foren und namhafte Magazine sind voll des Lobes und des Preises wegen ihrer sagenhaften Heilkraft, ohne dabei den tatsächlichen Wirkungsbezug der kleinen Braunelle konkret zu benennen. Den Quellen folgend scheint es sich bei der kleinen Braunelle um eine historische Heilpflanze zu handeln. Selbst die Quellen volksmedizinischer Anwendungen bleiben bei den Auskünften zu dem eigentümlich dekorativen Wiesenkraut zurückhaltend.

Ein selbstheilendes Kraut?

Auch als selbstheilendes Kraut wird die kleine Braunelle beschrieben. Tatsächlich ist sie eine sehr wuchsfreudige Pflanze, die sich gerne flächendeckend vermehrt. Wächst sie als Rasenunkraut, ist sie wahrscheinlich nahezu unverwüstlich. In ihrer unverschämten Dekorativität schiebt sie blaue und weisse Blütenstände als kleine farbige Bürstchen über das Grün des Rasens hinaus und hinterlegt das Ganze dann mit akzentuierten Brauntönen. Das ist erquicklich für die Augen und die Insekten, die sie als Futterquellen nutzen.

Im Fernen Osten geachtet, im Westen vergessen

Die entzündungshemmende Wirkung der Inhaltsstoffe des Krautes und der blühenden Pflanzen wurde mehrfach nachgewiesen. Forscher, hauptsächlich aus dem ostasiatischen Raum, vermuten, dass es sich bei der kleinen Braunelle um eine potenzielle Quelle für ein natürliches entzündungshemmendes Mittel handeln könnte. Die genauen Wirkungszusammenhänge liegen nach wie vor im Dunkeln. Beispielsweise wird sie in der koreanischen Kräutermedizin als Mittel gegen Halsschmerzen, zur Senkung von Fieber und für die Beschleunigung von Wundheilungsprozessen eingesetzt.

Während der letzten zehn Jahre verlagerte sich mehr das Augenmerk in der Erforschung der Inhaltsstoffe der kleinen Braunelle hin zur Therapie von Tumoren und von Begleiterkrankungen bei Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus. Offensichtlich verfügen die Inhaltsstoffe der kleinen Braunelle über immunmodulative Eigenschaften. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird sie wahrscheinlich deshalb schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Tumoren verwendet.

In den hiesigen Breiten soll die kleine Braunelle zur Behandlung von Diphtherie (Echter Krupp) verwendet worden sein. Das ist eine bakterielle Infektion des Mund-Rachen-Raumes mit lebensgefährlichen Folgen für lebenswichtige Organe wie die Luftwege, das Herz, die Nieren und Leber. Effektiver als die Anwendungen mit pflanzlichen Heilmitteln hat sich in diesem Fall der gezielte Einsatz von Antibiotika, Antitoxinen und Schutzimpfungen bewährt. Wahrscheinlich verlor mit der Einführung des effektiven antibiotischen Therapieansatzes die Wiesenpflanze an Bedeutung. Die kleine Braunelle verfügt nicht über das therapeutische Potenzial eines Antibiotikums. Möglicherweise löschten die Erfolge der modernen Schulmedizin die Erinnerung an die kleine Braunelle aus.

Weder die Kommission E des BfArM noch die EMA/HMPC oder die ESCOP haben bisher eine Monografie über die kleine Braunelle veröffentlicht.

Inhaltsstoffe:

ätherisches Öl, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Harz, Tritersaponine, Flavonoide, Kaffeesäure, Rosmarinsäure, Rutin und Quercetin

Wirkung:

entzündungshemmend, fiebersenkend, immunmodulierend

Quellen:

Hwang Y-J, Lee E-J, Kim H-R, Hwang K-A. NF-κB-Targeted Anti-Inflammatory Activity of Prunella vulgaris var. lilacina in Macrophages RAW 264.7. International Journal of Molecular Sciences. 2013; 14(11):21489-21503.

Cui, H.; Guo, W.; Zhang, B.; Li, G.; Li, T.; Yuan, Y.; Zhang, N.; Yang, Y.; Feng, W.; Chu, F.; Wang, S.; Xu, B.; Wang, P.; Lei, H. BA-12 Inhibits Angiogenesis via Glutathione Metabolism Activation. Int. J. Mol. Sci. 2019, 20, 4062.

Feng, L.; Jia, X.-B.; Shi, F.; Chen, Y. Identification of Two Polysaccharides from Prunella vulgaris L. and Evaluation on Their Anti-Lung Adenocarcinoma Activity. Molecules 2010, 15, 5093-5103.


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