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Meerrettich – ein Hoffnunsträger

Die Blätter des Meerrettich oder des Krenn, wie man in Österreich ihn nennt.

Meerrettich (Armoracia rusticana)

Wer hätte es gedacht, dass die tränentreibenden scharfen Wurzeln des Meerrettich noch einmal für die Medizin interessant werden? Seine scharfe Würze ist ideal für fettige fleischige Genüsse. Manchen Muskelkater hat er schon geheilt. Als Hausmittel bei bei leichten Atemwegsinfekten oder der Blase geniesst die weisse Wurzel einen guten Ruf. Das Interesse der medizinischen Forschung konzentriert sich aktuell auf das die Schärfe erzeugende Senföl.

Wirkt in den Atemwegen und hilft der Blase

Die antimikrobielle Wirkung des Senföls greift in den Schleimhäuten der Atemwege und auch der Harnwege unerwünschte Keime an. Potenziell geeignet zur inneren Einnahme ist der Meerrettich bei leichten Infekten. Sollten die Infektionen sich ausweiten, Fieber und Schmerzen hinzukommen, oder während der Einnahme keine Besserung erzielen, ist immer ärztlicher Rat gefragt.

Lindert leichte Muskelschmerzen bei Förderung der Durchblutung

Die Schärfe des in der Meerrettichwurzel enthaltenen Senföls reizt die Haut. Spürbar wird das durch eine zunehmende Durchblutung an den betroffenen Hautstellen. Bei Muskelschmerzen kann die Durchblutungsförderung mit Senföl Linderung verschaffen. Äusserliche Anwendungen sind auch bei leichten Katarrhen der Atemwege möglich, wenn dadurch die Durchblutung und Atmung gefördert werden. Sollte allerdings mit dieser Behandlung kein Erfolg erzielt, oder das Befinden sich verschlechtern, bzw. Fieber auftreten, ist stets ein Arzt hinzu zu ziehen.

Seitens der EMA/HMPC wurde bisher keine Monografie für den Meerrettich erstellt. Die Kommission E des BfArM erstellte im Jahre 1988 eine Monografie, in der sie die lindernde Wirkung für o.g. Indikationen zuerkannte.

Werden wir zukünftig Meerrettich in der Apotheke kaufen?

Die rasante Zunahme antibiotikaresistenter Keime begründet die Notwendigkeit, neue antimikrobielle Substanzen zu identifizieren, bei denen das Risiko einer Resistenzentwicklung im Zielorganismus geringer ist, und die gleichzeitig wirksam gegen Biofilme sind. Die Forschung konzentriert sich daher zunehmend auf antimikrobielle Verbindungen und Substanzen aus natürlichen Quellen. Beispielsweise können Isothiocyanate des Meerrettichs aufgrund ihrer erwarteten antimikrobiellen Wirkung eine vielversprechende Alternative für konventionelle Antibiotika darstellen.

Für die Entstehung und Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime ist ein in der Mikrobiologie bekannter Prozess verantwortlich: die bakterielle Konjugation. Durch den direkten Kontakt einer bereits resistenten Zelle wird Erbinformation auf eine noch nicht resistente Zelle übertragen. Das führt dazu, dass die resistenten Keime sich vermehren. Idealerweise wird dieser Kontakt unterbunden oder der Übertragungsmechanismus gestört, um die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu verhindern. Ausserhalb des Körpers ist das mit hygienischen Massnahmen und chemischen Mitteln möglich. Innerhalb des Körpers ist das wesentlich schwieriger aufgrund der therapeutischen Breite verwendeter Substanzen und den damit verbundenen unerwünschten Nebenwirkungen.

Bakterielle Mikroorganismen haben die Eigenschaft einen bakteriellen Biofilm aufzubauen, der an Oberflächen haftet. Der Biofilm, oder auch Schleim, besteht aus Bakterienzellen und einer sie umgebenden extrazellulären Polymersubstanz. Das macht sie unangreifbarer gegenüber Antibiotika und das dichte Beieinanderliegen vereinfacht die Weitergabe des Erbgutes und somit die Ausbreitung von Resistenzen. Bekannt und gut beobachtet ist der Effekt bei Infektionen der Harnwege und im Darm. Britische Forscher der UCL untersuchten die Wirkung von Isothiocyanaten – den chemischen Bestandteilen des Senföles – auf die bakterielle Konjugation bei Kolibakterien. Ihre Studie bestätigt, dass die einzelnen Bestandteile des Senföles in der Lage sind, die Übertragung zwischen Bakterien signifikant zu stören.

Isothiocyanate oder Senföl bilden vorwiegend kreuzblühende Pflanzen, um sich vor Frassfeinden zu schützen. So bildet der Meerrettich in seinen tiefen Wurzeln Glucosinolate und das Enzym Myrosinase. Werden die Pflanzenzellen der Wurzel z.B. durch Schneiden oder Reiben verletzt, aktiviert und spaltet die Myrosinase die Glucosinolate. Es bilden sich die scharf riechenden und schmeckenden Isothiocyanate. Für uns Menschen sind sie willkommene würzige Geschmacksbeigaben. Hingegen für die Fressfeinde wirken sie abschreckend und zum Teil toxisch.

Es bleibt spannend in der Welt der Pflanzenmedizin. Wie gut, dass mit jedem Löffel Meerrettich auf dem kalten Braten auch eine wohltuende Medizin den Bauch erreicht!

Inhaltsstoffe:

Senföl, Senfölglykoside

Wirkung:

antimikrobiell, durchblutungsfördernd

Gegenanzeigen:

Die Einnahme ist nicht empfohlen bei Entzündungen und Geschwüren im Magen-Darm-Bereich sowie in den Nieren. Aufgrund der Schärfe und der intensiven Reizungen ist Meerrettich für Kinder unter 4 Jahren nicht geeignet.


Quellen:

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/inhalt-44-2000/pharm1-44-2000/

Inhibiting plasmid mobility: The effect of isothiocyanates on bacterial conjugation: Awo Afi Kwapong; Paul Stapleton; Simon Gibbons (May 2019)

Natural isothiocyanates express antimicrobial activity against developing and mature biofilms of Pseudomonas aeruginosa: Stefan J. Kaiser, Nico T. Mutters1, Brigitte Blessing, Frank Günther (2017)

Pressemeldung CGC: Aktuelle Studie der Universitäten London und Accra [Ghana]: Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich hemmen die Verbreitung resistenter Bakterien (11. 06. 2019)

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